Gräben

Auf den ersten Blick völlig unscheinbar entpuppen sich die Gräben im Bremer Feuchtwiesenring als ein ökologisches Dorado. Dies ist der Grund, weshalb ihnen in der Auflistung der wichtigen Lebensräume in Bremen ein eigenes Kapitel gewidmet wird.

Zunächst einmal: Graben ist nicht gleich Graben. Es gibt eine große Vielzahl unterschiedlichster Grabentypen, schon allein was ihr Breite, Wassertiefe, ihre Wasserqualität, ihr Umgebung, ihren Nährstoffgehalt und den Salzgehalt angeht. Und daraus ergeben sich dann weitere Unterschiede in der pflanzlichen und tierischen Besiedelung. Da nun aber die meisten Gräben miteinander verbunden sind, kann auch ein Austausch der Pflanzen und Tiere stattfinden.

Dies führt dazu, dass die Biologische Vielfalt der Gräben in Bremen außerordentlich hoch ist. Und da die Gräben teilweise nur wenige Meter voneinander entfernt liegen - im Hollerland sind es teilweise nur fünf Meter von Grabenrand zu Grabenrand, ist auch die Grabendichte in Bremen von herausragendem ökologischen Wert.

Wie ist es dazu gekommen und warum gibt es das nicht auch in anderen Regionen?

Nachdem von holländischen Fachleuten Weser und Wümme eingedeicht waren und Sielbauwerke für eine Entwässerung der nassen Wiesen sorgen konnten, wurden zur Be- und vor allem Entwässerung die Gräben angelegt, um das sehr hoch anstehende Grundwasser sowie das schnell zu Überschwämmungen führende Regenwasser rasch in die Flüsse leiten zu können. Bei der Anlage der Gräben richtete man sich auch nach den Grundstücken der Bauern. Denn diese Gräben dienten und dienen noch heute auch als eine Art "Zaun" für die Kühe. Man spricht sogar von "viehkehrenden Gräben". Und wenn dann ein Bauer starb und zum Beispiel zwei Söhne sein Erbe antraten, dann teilten sie oftmals die Flächen durch das Ziehen eines neuen Grabens auf. In den meisten Regionen Deutschlands mit intensiver Landwirtschaft hatte es nach zu starker Verkleinerung der Parzellen Flurbereinigungsverfahren gegeben. In diesem wurden die Flächen wieder zu größeren Einheiten zusammengelegt und trennende Strukturen wie Hecken, Gräben und Wege wurden beseitigt. In Bremen aber, einer Handels- und Kaufmannsstadt, hat es noch nie ein Flurbereinigungsverfahren gegeben. Daher besitzen wir hier noch sie sehr kleinräumige Struktur, die der Natur sehr zu Gute kommt.

Das zeigt sich besonders schön am Hollerland, das im knapp 300 Hektar großen Naturschutzgebiet eine Gesamtgrabenlänge von 90 km besitzt.

Was sich allein in diesen 90 km Gräben an unterschiedlichen Lebensräumen gebildet hat, lässt sich hier nicht detailliert beschreiben. Wichtig ist allerdings vor allem eine Pflanzenart, für die unsere Bremer Gräben ein ganz wichtiger Überlebensraum ist: Die Krebsschere. Weitere wichtige Grabenpflanzen sind die Schwanenblume, die Wasserfeder, verschiedene Laichkrautarten, das Pfeilkraut, und der Igelkolben.

Auch die Tierwelt in den Gräben ist erstaunlich vielfältig. Seltene Wanzen und Muscheln finden sich hier ebenso wie auf europäischer Ebene kaum noch zu findende Fischarten wie den Schlammpeitzger und den Steinbeißer sowie den höchst unbekannten Wasserkäfer mit dem seltsamen Namen: Schmalbindiger Breitflügel-Tauchkäfer. Und auf den Krebsscheren - und nur dort - legt die Grüne Mosaikjungfer, eine sehr seltene Libellenart, ihre Eier ab.

Gräben haben, wie nahezu alle Stillgewässer, die Eigenschaft, zu verlanden. Abgestorbene Pflanzen und die Erosion der Ränder führen zu immer flacheren Gräben, die irgendwann nicht mehr ihre Funktion als Be- und Entwässerungsanlage wahrnehmen können. Spätestens dann müssen sie entkrautet, gereinigt und vertieft werden. Dies aber ist für die sich dort mittlerweile heimisch gemachte Lebensgesellschaft aus Pflanzen und Tieren eine absolute Katastrophe.

Hier wurde in den letzten Jahren in Zusammenarbeit verschiedener Institutionen verschiedene Methoden entwickelt, wie die generell unabwendbare Grabenräumung dennoch für die Natur erträglich gestaltet werden kann. Denn eines ist sicher: wenn die Gräben nicht geräumt werden, verschwinden dies wertvollen Lebensräume auf jeden Fall. Mit den jetzt zwischen Landwirten und Naturschützern abgestimmten Verfahren gelingt beides: optimaler Schutz der Lebensräume bei gleichzeitiger Erhaltung der wichtigen wasser- und landwirtschaftlichen Funktionen.